Was können Wi-Fi-Radare und wie erkennen sie Bewegungen durch Wände hindurch?

Die meisten Menschen kennen Wi-Fi als drahtlose Internetverbindung – aber nur wenige wissen, dass diese Technologie weit mehr kann als nur Daten zu übertragen. Dank neuer Entwicklungen ist Wi-Fi mittlerweile in der Lage, Bewegungen, Anwesenheit und sogar Atmung zu erkennen – und das durch Wände hindurch.

Das ist keine Science-Fiction: Wi-Fi-Radar ist bereits Realität und wird in Bereichen wie Smart Homes, Sicherheitssystemen und der medizinischen Fernüberwachung eingesetzt.

In diesem Artikel erfährst du:

  • was Wi-Fi-Radar ist und wie es funktioniert,

  • wie es durch Wände hindurch Bewegungen erkennen kann,

  • welche Geräte, Algorithmen und Standards dahinterstehen,

  • sowie welche Vorteile und Datenschutzaspekte damit verbunden sind.


Was ist ein Wi-Fi-Radar?

Wi-Fi-Radar (auch Wi-Fi Sensing genannt) ist eine Technologie, die Reflexionen von Wi-Fi-Funksignalen analysiert, um Informationen über Bewegungen und Aktivitäten in der Umgebung zu erhalten.

Grundprinzip:

  • Ein Wi-Fi-Gerät sendet kontinuierlich Funksignale (z. B. bei 2,4 GHz oder 5 GHz).

  • Diese Signale werden von Wänden, Objekten und Personen reflektiert.

  • Das System analysiert Veränderungen in den Signalen – wie Laufzeit, Phase oder Amplitude.

  • Daraus lässt sich erkennen:

    • ob sich jemand bewegt hat,

    • wie schnell die Bewegung war,

    • in welchem Bereich sie stattfand,

    • ob eine Person anwesend ist,

    • und sogar, ob sie atmet (!).


Wie erkennt Wi-Fi Radar Bewegungen durch Wände?

Funkwellen – insbesondere im 2,4- oder 5-GHz-Wi-Fi-Band – können durch bestimmte Materialien hindurchdringen, vor allem wenn diese:

  • nicht aus Metall bestehen,

  • nicht speziell abgeschirmt sind (z. B. Gipskarton, Holz, Ziegel).

Das Signal durchdringt das Hindernis, wird von der Person oder dem Objekt auf der anderen Seite reflektiert und kehrt verändert zurück – das System erkennt daraus die Bewegung.

Schlüsselbegriff: Channel State Information (CSI)

CSI liefert detaillierte Informationen über den Funkkanal, etwa:

  • Laufwege reflektierter Signale,

  • Mehrweg-Effekte (Multipath),

  • Veränderungen in Phase und Amplitude.

Bewegungen verändern dieses „Signal-Fingerabdruck“, den das Radar interpretieren kann.


Welche Signale nutzt Wi-Fi-Radar?

Signaltyp Frequenzbereich Beispiele
Wi-Fi (802.11n/ac/ax) 2,4 / 5 / 6 GHz Normale Router und Endgeräte
mmWave (60 GHz) 57–64 GHz Sehr präzise, aber kurze Reichweite
UWB 3,1–10,6 GHz Hohe Auflösung, energiesparend

Vorteil: Es wird keine zusätzliche Hardware benötigt – selbst ein Standard-Router oder IoT-Gerät kann als Sensor dienen.


Was kann Wi-Fi-Radar erkennen?

  • Allgemeine Anwesenheit (ob sich jemand im Raum befindet)

  • Feinste Bewegungen – wie Atmung, Handgesten

  • Gehen, Sitzen, Hinlegen

  • Stürze, plötzliche Bewegungen

  • Personenerkennung anhand von Bewegungsmustern


Anwendungsbereiche

1. Smart Homes

  • Automatisches Licht, Heizung oder Sicherheitsfunktionen

  • Anwesenheitsgesteuerte Steuerung

2. Pflege & Medizin

  • Atemüberwachung, Schlafbeobachtung

  • Sturzerkennung mit Alarm

  • Vollständig kontaktlos – keine Wearables nötig

3. Sicherheitslösungen

  • Erkennung versteckter Personen (z. B. hinter einer Wand)

  • Schutz sensibler Bereiche (z. B. Rechenzentren, Tresore)

  • Bewegungserkennung für automatische Licht- oder Alarmauslösung

4. Büro- und Arbeitsumgebungen

  • Automatische Raumbelegungserkennung

  • Energieeinsparung durch Präsenzsteuerung

  • Bewegungsanalyse in offenen Büroflächen


Praxisbeispiele

Google – Project Soli

  • Miniatur-mmWave-Radar, erkennt Luftgesten mit den Fingern

  • In Pixel-Smartphones integriert

Amazon – Echo & Sidewalk Radar

  • Anwesenheitserkennung per Wi-Fi

  • Automatische Reaktion bei Betreten oder Verlassen eines Raums

Origin Wireless

  • Verwandelt handelsübliche Wi-Fi-Router in Atemüberwachungssysteme

  • Bereits seit 2023 kommerziell erhältlich

Aura WiFi Motion von Cognitive Systems

  • Kompatible Router fungieren als Bewegungssensoren

  • Im Einsatz z. B. in Wohnanlagen und Büros


Vorteile

  • Keine zusätzlichen Sensoren erforderlich

  • Funktioniert durch Wände hindurch

  • Unsichtbar und diskret – nicht invasiv

  • Offline-fähig (mit lokaler Verarbeitung)

  • Datenschutzfreundlicher als Kameras


Herausforderungen und Einschränkungen

  • Genauigkeit abhängig von der Umgebung (z. B. Metalle, Reflektionen)

  • Interferenzen durch andere Wi-Fi-Geräte

  • Erfordert präzise Algorithmen

  • Datenschutzfragen – Bewegungsdaten gelten als sensibel


Datenschutzaspekte

  • Es werden keine Bilder oder Audiodaten aufgezeichnet, aber Bewegungsmuster können Personen identifizierbar machen

  • Nach DSGVO gelten Anwesenheitsdaten als personenbezogen

  • Ethikfrage: Wenn Nutzer nicht wissen, dass sie „überwacht“ werden, kann das problematisch sein

Nutzer sollten stets informiert werden – und eine Deaktivierungsmöglichkeit haben.


Zukünftige Entwicklungen

  • 802.11bf („Wi-Fi Sensing“) Standard ab 2024/25

  • Edge AI für Gesten- und Präsenzanalyse direkt am Gerät

  • Identifikation durch Bewegungsverhalten als neue biometrische Methode

  • Gesundheitsanwendungen: drahtlose Lungenfunktionsanalyse, Apnoe-Erkennung

  • Selbstorganisierende Radarnetzwerke mit Wi-Fi-Mesh-Geräten


Fazit

Wi-Fi-Radar eröffnet neue Möglichkeiten in der Bewegungs- und Anwesenheitserkennung. Die Fähigkeit, durch Wände hindurch zu „sehen“ und vollkommen kontaktlos zu arbeiten, ist besonders für Gesundheitswesen, Sicherheit und Smart-Living interessant.

Mit der Weiterentwicklung und Einführung des 802.11bf-Standards wird diese „unsichtbare Radar-Technologie“ schon bald ein fester Bestandteil unserer alltäglichen Geräte sein – und dafür sorgen, dass unsere Umgebung nicht nur vernetzt, sondern auch wahrnehmungsfähig wird.



Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder stammen entweder aus KI-generierter Quelle oder von lizenzfreien Plattformen wie Pixabay oder Pexels.

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